von Anja Meherpreet aus Frankfurt.
In den Tagen als unsere russischen Yogifreunde bei uns in Frankfurt zu Besuch waren und uns ungefähr in diesen Tagen über die Medien eine erneute Meldung von Putins Nachrichten und möglichen Vorhaben erreichte, rief mich besorgt meine Mutter an und berichtete, dass ich unter diesen Umständen auf keinen Fall nach Moskau reisen könne, da ich in großer Gefahr wäre. Als ich diese Sorge meiner Mutter in einer unserer Friedensgesprächsrunden preisgab, stieß ich auf alles andere als auf Verständnis. Eher wurde darüber gelächelt und verwunderlich geschaut.
Aufgrund dieses Beispiels möchte ich verdeutlichen, welch alte Wunden womöglich noch tief in unseren Zellen verankert sind. War meine Mutter doch in Berlin 1945 das ungeborene Baby im Bauch ihrer 18jährigen Mutter, die sich voller Angst vor dem gleich hereintretenden Russen in einem selbstgebuddelten Loch im Nachbarsgarten, mit anderen jungen Frauen versteckte. Und der Russen kam, sein Stiefel setzte auf der Bodenatrappe auf und der Sand rieselte den Mädchen auf den Kopf. Einige Tage zuvor war meine Großmutter bereits vor einem ihr nachrennenden Russen so schnell sie konnte davon gerannt.
Die Angst vor dem Russen schlummert womöglich noch tief in uns. Auch in uns Kriegsenkeln. Eine Studie fand heraus, dass die bereits fertig angelegten Eizellen eines Embryos solche Erinnerungen in sich tragen. Das würde bedeuten, dass nicht nur meine Mutter diese Angst, diese Gefühle, durch ihre Mutter übertragen bekommen hat, sondern auch ich, die bereits als Eizelle in meiner Mutter existierte.
Daher ist ein neues Miteinander, ein aufeinander zu kommen , nicht nur aufgrund der aktuellen Tagespolitik sehr notwendig, sondern auch für uns, unsere Kinder und Kindeskinder.
Was können wir zum Frieden beitragen? Wie kann eine solche Friedensarbeit aussehen?
Mit diesen Themen beschäftigten wir uns von Beginn an und die Essenz in den gemeinsamen Tagen in Frankfurt und Oberlethe haben uns spüren lassen, dass wir zuallererst bei uns selbst beginnen müssen. Wenn wir in uns Frieden leben und diesen mehr und mehr entwickeln, dann kann er auch in die Welt getragen werden. Stück für Stück.
Aufbruch nach Moskau: Ich selbst habe die pompöse Siegespräsentation der Russen über den Faschismus, im Kriegsmuseum im Moskauer Viktoria Park schwer verdauen können. Denn, wie einer unserer Yogis dort sagte: Nun ja, sie haben den Krieg aber nicht durch Meditation gewonnen. Ich spürte die Pazifistin in mir laut schreien. Die für mich unbegreiflich vehemente Art diesen Sieg zu zelebrieren, ihre gewählte Art die Vergangenheit der millionenfachen gefallenen Landsmänner zu verarbeiten, hat mir den Atem verschlagen. Sei es im Souvenirshop in denen Plastikpanzer zum Kauf angeboten wurden, sei es der angestellte Fotograf, der die in Soldaten verkleidete russische Kleinfamilie und dem Gewehr in den Händen eines Vierjährigen, beim Sonntagsausflug im Museum ablichtete, sei es die eins zu eins Nachahmung von Kriegsschauplätzen mit dolby surround Beschallung oder zu guter Letzt die Ehrung all jener Soldaten hoch oben in der strahlenden Heldenhalle, in goldenen Lettern auf der Wand aufgetragen, die etwas zum Sieg beigetragen haben. Dieser Museumsbesuch war wohl auch deshalb so unfassbar für mich, da wir Deutschen doch von klein auf in wiederholender Dauerschleife hauptsächlich das Schuldgefühl über den unbeschreiblich schrecklichen Holocaust vermittelt und eingeflößt bekamen. Somit knallen hier zwei Welten der Kriegserinnerungen und deren Auseinandersetzung aufeinander. Was aber erst einmal für sich stehen darf.
Die erneute Begegnung mit unseren bereits vertrauten russischen Yogifreunden auf dem russsichen Yogafestival am schwarzen Meer war sehr herzlich und wohlwollend. Von ca 600 Yogis waren wir 8 Deutsche, plus ein paar vereinzelten Russsen- Deutschen. Ansonsten hauptsächlich russische junge Yogis und einige Amerikaner. Wir wurden wunderbar eingebettet ins Geschehen, boten vereinzelt selbst auch Workshops an, meditierten zusammen und genossen herrliche gemeinsame und friedliche Tage. Auch das Meer stets direkt an der Klippe unter uns zu geniessen, war ein genialer Luxus. Wir knüpften neue Kontakte, Interessenten kamen auf uns zu und wollten mehr über unser ins Leben gerufene Friedensprojekt erfahren. Eine junge Yogini kam nach unserem Workshop zu uns und erzählte von ihrem verzerrten Deutschlandbild, welches sie durch die Schulbank vermittelt bekommen hatte. Sie war ganz euphorisch mehr von Deutschland zu erfahren. Das war rührend und bewegend.
Ich bin sehr dankbar darüber, in dieses Land hinein geschnuppert haben zu dürfen und bin gespannt wie sich die Entwicklung in unserem Friedensprojekt gestaltet. Wir haben einiges vor und sind offen für Inspiration. WAHE GURU.